Verkorkst – der passende Spargelwein
„Macht doch was ihr wollt“, bin ich versucht zu rufen. Einen 30 Jahre alten Colheita Port? Klar! Cheval Blanc 61? Auf jeden Fall! Lafite 2020? Weg damit …! Es juckt mir jedes Jahr, wenn der Frühling eingeläutet wird, in den Fingern, mal Weine zu empfehlen, die unter Garantie nicht zu Spargel passen, und zwar überhaupt nicht. Die Schwemme der Spargelweintipps schwappt ab Mitte April so verlässlich über einen her, dass man den Eindruck gewinnen kann, es gäbe gar keine anderen Probleme mehr in Deutschland als die Frage: Welcher Wein passt zu Spargel?
Ich hatte schon die Idee, auf den lokalen Wochenmärkten psychologische Beratungsstellen zum Thema Spargelwein einzurichten, um die Heerscharen der verzweifelten Suchenden nicht ihrem grausamen Schicksal zu überlassen. Spargelweintherapie, damit nicht ansonsten glückliche Ehen an der Frage scheitern: Sancerre oder Friulano? Spargelweinyoga, damit man dieser existentiellen Frage etwas gelassener gegenüberstehen kann. Ich frage mich, warum beschäftigt sich der Bundestag nicht mit dieser für die Deutschen offensichtlich drängenden Problematik. Ein Spargelweingesetz muss her, vielleicht eine verpflichtende Kennzeichnung auf dem Etikett, wie gut der Wein zu Spargel passt: A = super, B = gut, C = noch ok und so weiter. Besser noch, nach den regionalen Unterschieden aufgeteilt: Vorgebirgsspargel, Beelitzer Spargel, Südbadischer Spargel… Man könnte die Corona App (ja gab es mal) zu einer Spargelweinapp umbauen, die neben praktischen Hinweisen in dieser Frage auch direkt Warnmeldungen verschickt: „Achtung, sie hatten gestern Kontakt mit einer Person, die den falschen Wein zum Spargel getrunken hat.“ Nicht, dass sich dann herausstellt, dass die Falschtrinkerinzidenz einen dramatischen Wert erreicht hat – beruhigend ist immerhin: Ist in der Regel ist Falschtrinken nicht ansteckend und nimmt keinen exponentiellen Verlauf.
Aber einmal ehrlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Food- Lifestyle- und sonstige Magazine, liebe Content Creatoren, glaubt ihr wirklich, dass jeder von euch jedes Jahr mehrfach diese äußerst generischen Tipps zu dem Thema raushauen muss? Google liefert zu der Suchanfrage „Welcher Wein passt zu Spargel?“ in 0,36 Sekunden 1.130.000 Ergebnisse. Für die Frage „Wie lautet der kategorische Imperativ?“ benötigt Google 0,01 Sekunden länger und liefert nicht einmal ein Fünftel der Ergebnisse. Also mal ehrlich, liebe Landsleute im Land der Dichter und Denker... und der Spargelverwirrten. Also wer nicht auf meine „Passt absolut nicht“-Tipps von oben zurückgreifen will. Hier ein für alle Mal und abschließend, für die Ewigkeit gültig, die kategorische Antwort auf das drängendste Problem jedes Frühjahrs: ES KOMMT DARAUF AN!
Zu klassisch gekochtem Spargel natürlich Weißwein oder einen leichten Rosé. Nicht zu trocken, nicht zu kraftvoll, nicht reduktiv, also eher ein netter, guter Sommerwein. Aber wenn ich Spargel zum Beispiel in Olivenöl anbrate und dann ein paar Streifen Serrano Schinken dazu gebe, das Ganze in ein Omelette packe und ein paar frische Kräuter darüber streue (Bronzefenchel? Hmmm… mal ausprobieren!) Dann kann es auch ein kräftigerer Wein sein, ruhig etwas oxidativ oder auch ein leichter, frischer Roter, gut gekühlt, oder warum nicht mal einen Fino Jerez? Also der Spargelwein-Imperativ lautet: Trinke jederzeit einen Wein zum Spargel der dir, deinem Gaumen und deinen Mitessern die größtmögliche Freude bereitet. Edel sei der Mensch, Experimentierfreudig und Gastfreundlich. Das ist die ganze Wissenschaft, das ist der Bücher tiefster Sinn. Und damit können Sie jetzt bei allen Spargelweintipps in alle Ewigkeit einfach wegklicken, swipen, disliken oder was auch immer und sich wichtigeren Dingen zuwenden.
P.S.: Übrigens mein absoluter Geheimtipp bei einer inadäquaten Getränke-Speise-Kombination lautet nicht: Spargel mit Amarone oder Hummer mit Cola, sondern Austern mit Pastis – verleidet einem aber unter Garantie beides, was allerdings schade wäre...
P.P.S.: Für alle, die jetzt völlig verwirrt sind und dennoch ein paar konkrete Tipps erwarten kommen hier doch noch zwei Vorschläge. Allerdings, Silvaner zum Spargel kann jeder. Wenn man mal über die Grenzenschaut und herausfindet, was in anderen Ländern zum Spargel empfohlen wird, wird’s noch etwas inspirierter.
2022 Grüner Veltliner Ried Kreuzberg Federspiel
Domäne Wachau│Wachau, Österreich
Ein Grüner Veltliner Federspiel, am besten ein Exemplar mit deutlichem „Pfefferl“, also der Note von weißem Pfeffer wird zum Beispiel in Österreich gern zum Spargel gereicht. „Mittelgewichtig mit einer lebendigen Säure, harmonisch und saftig mit fruchtbetontem und würzigem Abgang...“, beschreibt die Domäne Wachau selbst diesen Wein.
Hugel et Fils│Alsace, Frankreich
In Frankreich werden vor allem Weine aus dem Elsass (ausgenommen Rieslinge) zum Spargel empfohlen. Mit einem Muscat wird das Pairing etwas abenteuerlicher. Die blumigen Noten des Muscat kitzeln den Spargel und heben ihn in neue Genuss-Sphären. Hugel, das große Traditionsweingut aus dem Elsass, hat die Classic-Serie für sortenreine, gänzlich trockene Weine kreiert. Die Muscat Trauben stammen ausschließlich von gutseigegen, Mergel-Böden rund um Riquewihr. Mit seinen intensiven fruchtigen und floralen Noten ist Muscat eine echte Gute-Laune-Rebsorte.