Sommeliere von Britta Giese im Kölner Weinkeller

Spanien & Portugal – Auf nach Süden

Portugal? Spanien? Dazu fallen fast jedem von uns spontan Vinho Verde und Sangria ein. Doch neben all den mehr oder weniger leckeren Erfrischungsweinen reift auf der iberischen Halbinsel auch eine Königsklasse großartiger Spitzen-Gewächse, die nicht nur prominente Punktesammler wie Robert Parker oder James Suckling auf den Plan rufen. Britta ist Sommelière mit langjähriger Erfahrung und hat internationale Weinwirtschaft in Geisenheim studiert. Für uns ist sie in den Weingütern südlich der Pyrenäen auf Schatzsuche gegangen.

Einer meiner Lieblingsweine heißt „Pies Negros“, zu Deutsch „schwarze Füße“. Die bekommt man unweigerlich, wenn man sich auf den Weg macht, um Spaniens weit verstreute Weinregionen zu erkunden. Und ein paar Blasen bekommt man dazu. Denn das Gelände ist oft unwegsam, so manche Landschaft verschlossen und die klimatischen Bedingungen sind unterschiedlich wie Tag und Nacht: feuchte Wälder und in Nebel gehüllte Weinberge an der rauen Atlantikküste Galiciens. Karge Böden und lange Schatten in der flirrenden Hitze Andalusiens. Weinreben zwischen verlassenen Dörfern in Aragon. Oder saftig grüne Hügel im Penedès neben den schroffen Steilfelsen des Priorats. Kontrastreicher als in Spanien könnten die Landschafts- und Klimabedingungen für den Weinanbau nicht sein.

In den großen Weinregionen wie der Rioja ist man längst darauf eingestellt und von hier kommen noch immer viele ausdrucksstarke Weine, die lange im Fass gereift sind und sich dennoch ihre charaktervollen Fruchtnoten bewahren konnten. Aber wer hat jemals von dem kleinen Valle Yglesias am Fuß der Sierra de Gredos westlich von Madrid gehört? Oder von den jungen Wilden unter Spaniens Winzerinnen und Winzern, die sich selbst „los Locos“ (die Verrückten) nennen? Ähnlich vielfältig erscheint Portugal, das stolz darauf ist, über 500 verschiedene Rebsorten zu kultivieren, und dennoch als Weinland heillos unterschätzt wird. Obwohl ich beide Länder längst für mich als faszinierende Weinwelten entdeckt habe, bin ich doch immer wieder verblüfft, welche spannenden Überraschungen diese extrem divergenten Regionen und Weingüter hervorbringen. Ein Abenteuer. Los geht’s.

 

Britta Giese

 

 

PIES NEGROS

PIES NEGROS

Elegant, filigran, butterweich … und auch sonst alles andere als das, was man normalerweise von einem spanischen Rioja gewohnt ist. Da ist den Winzerbrüdern Kike und Arturo ein großer Wurf gelungen, der mit jedem erstklassigen Burgunder mithalten kann. Und weit mehr als das: Diese ausbalancierte Mischung aus Tempranillo- und Graciano-Trauben wartet nämlich mit einer derart feingliedrigen Würze auf, dass der Pies Negros längst zu meinen Favoriten zählt. Zum Beispiel, wenn ich es mir abends in meinem Ohrensessel am Fenster bequem mache und in ein Glas Wein hineinhöre wie in gute Musik. Ein Hauch Pfeffer, Nelke und Lakritze. Dazu Fruchtnoten von dunklen Waldbeeren, Kirschen und Pflaumen. Das Ganze mit aufgefächerter Tanninstruktur, angenehmer Tiefe und unaufdringlicher Präsenz. Übrigens auch ein toller Begleiter, wenn am Wochenende spontan Freunde in der Tür stehen. Wie geschaffen zum gemeinsamen Chillen. Perfekt zu salzig gebackenem Fingerfood oder auch zu gegrillten Sardinen mit ein paar Spritzern Balsamico. Wie man sieht, braucht es nicht viel Drumherum, um mit einem Glas Pies Negros eine neue Stufe spanischer Winzerkunst zu erleben.

ZUM WEIN

 

 

ALMIREZ

ALMIREZ

Hinstellen. Aufmachen. Boah. Ein Rioja, der aufritt wie ein Star in der Manege. Frucht, Fassausbau, Würze, Harmonie, Präsenz – die ganze Klaviatur eines kräftigen, ausdrucksstarken Rotweins. Ein Wein, der nicht leise flüstert, sondern der gern mit dir spricht. Nicht vornehm zurückhaltend, nicht schüchtern, sondern sofort da, wenn du ihn öffnest. Ein Wein für die gesellige Runde, der dich durch gute Gespräche begleitet. Lachen, Singen, Tanzen, Unbeschwertheit. Ein Wein, mit dem du Freunde gewinnst, wenn du irgendwo zu Besuch bist, und nicht so recht weißt, was du mitbringen sollst. Aber auch ein Wein für ruhige Minuten im Sessel, mit einem guten Buch und einem Glas 2020er Almirez, die sich in Tiefe und Ausdruckskraft ergänzen. Der Almirez stammt aus der Mitte Spaniens, der Region Toro in Kastilien-León am Nordufer des Douro. Gekeltert wird er aus einer örtlichen Variante der Tempranillo-Rebe, die hier Tinta de Toro genannt wird und zum Schutz vor der sengenden Sonne etwas dickere Schalen aufweist. Starke Trauben, starker Wein.

ZUM WEIN

 

 

BRANCO DE STA. CRUZ

BRANCO DE STA. CRUZ

Bereits der Name dieses hervorragenden Sekts, der volle drei Jahre lang auf der Hefe gelegen hat, ist Programm. Auch gibt es diesen Blanc de Blancs exklusiv nur im Kölner Weinkeller. Am Rande: Raumland ist bislang das einzige Sekthaus, das dem exklusiven Verband der pfälzischen Qualitätsweingüter angehört. Eine hohe Ehre, wenn man bedenkt, dass hier nur die allererste Winzergarnitur Aufnahme findet.
Der 2017er Überschwang ist trocken, mit viel Schmelz und einer sehr schönen Säurestruktur. Ein charakterstarker Sekt aus traditioneller Flaschengärung. Absolut nicht fett, sondern trotz langer Lagerzeit angenehm frisch, elegant und vornehm zugleich. Champagnerqualität aus Deutschland – ein Fest!

ZUM WEIN

 

 

FINCA DOFÍ

FINCA DOFÍ

Viel mehr Punkte hätten Robert Parker und James Suckling nicht vergeben können: Der 2021er Finca Dofí ist ultrakonzentriert aus Grenache-, Cariñenaund Picapol-Reben, die auf eisenhaltigem Schieferboden gedeihen. Dabei misst die Einzellage von Alvaro Palacios am Fuß der bizarren Steilfelsen des Priorats nur 16 Hektar. Ein Schmuckstück unter Spaniens Weingütern – und der 2021er ist ein wahres Juwel. Aromen von dunklen Waldbeeren und reifer Schwarzkirsche, die in eine Ahnung von Kaffeenoten, Bleistift und Tabak übergehen, um in die feingliedrigen Tannine zu münden, die den langen Abgang mit Applaus begleiten. Bravo!

ZUM WEIN

 

 

REMELLURI RESERVA

REMELLURI RESERVA

Ein frischer und zugleich eleganter Bio- Rioja? Aqui está! Die Bodegas Remelluri spielen in der ersten Liga, wenn es um Genuss und Winzerkunst geht. Das liegt vor allem an der Handschrift von Telmo Rodriguez, der zu den profiliertesten Winzern Spaniens zählt. Neben den Bodegas Remelluri, die Telmo einst von seinem Vater übernahm, produziert er noch in acht weiteren Regionen Spaniens vielfach prämierte Spitzen-Weine. Mit dem 2015er Remelluri Reserva gelingt die perfekte Balance aus feinen Düften von Himbeere und Kirsche, Würze und Struktur. Telmo hat einst in Bordeaux studiert. Nun könnten die Franzosen etwas von ihm lernen.

ZUM WEIN

 

 

G 2

G 2

Mediterrane Kräuter, ein Schuss Anispfeffer und dazu eine in sich ruhende Leichtfüßigkeit – so lässt sich der G 2 vielleicht am besten charakterisieren. „Los Locos“ (die Verrückten) nennen sich die beiden jungen Winzer dieses Garnacha-Weins, Fernando und Luis, gern selbst: zwei grundverschiedene Brüder, die das traditionsreiche Weingut ValleYglesias in der Sierra de Gredos westlich von Madrid vor ein paar Jahren übernahmen. Fernando, der ehedem preisgekrönte MTB-Profiradfahrer und heutige Master in Önologie. Und Luis, von Beruf Musiker, dessen Credo lautet: „Wie in der Musik wird auch die Kunst des Weins von einem Meer von Empfindungen überflutet, die – wenn sie gut ausgearbeitet, geordnet und interpretiert werden – eine schöne Melodie hervorbringen.“ Kann man nicht besser sagen. Die Melodie des G 2 geht so weiter: Anklänge auch von Brombeeren, Kirschen und feingliedrigen Tanninen. In der Balance aller Aromen und Holznoten mit das Beste, was die Region zu bieten hat. Passt übrigens perfekt zu angebratenem Reis mit Brokkoli in Gochujang- Bulgogi-Marinade, einer koreanischen BBQ-Sauce (habe ich neulich mit Freunden ausprobiert). Salud!

ZUM WEIN

 

 

GRAHAMʼS SIX GRAPES PORT

GRAHAMʼS SIX GRAPES PORT

Je tiefer man ins Dourotal im Norden Portugals kommt, desto ursprünglicher wird es. Manche Dörfer müssen ohne Elektrizität auskommen. Maschinen sind rar. Dominic Symington von der Portwein-Dynastie Grahamʼs hat hier die Welt des Portweins wesentlich mitgeprägt, bevor er das Zepter an seinen Sohn Anthony übergab: „In den letzten 30 Jahren gab es Höhen und Tiefen, aber der Portwein ist in eine neue Ära eingetreten.“ Der Grahamʼs Six Grapes gehört dazu. Fruchtig, leicht zugänglich, prima zum Trinken, macht Spaß. Ein idealer Einstieg in die Welt des Ports. Übrigens auch ein perfektes Solo-Dessert.

ZUM WEIN

 

 

 

UNGEWÖHNLICHE WEINTRENDS AUS SPANIEN

 

NATÜRLICHE WEINE

Immer öfter taucht der Begriff „Naturwein“ auch im Zusammenhang mit spanischen Herstellern auf. Oft handelt es sich um ungefilterte, spontan vergorene Weine in Bio-Qualität. Auch der CO₂-Fußabdruck ist vielen jungen Winzerinnen und Winzern wichtig.

REKULTIVIERUNG ALTER LAGEN

Vertrocknete Rebstöcke, karge Böden, verwilderte Hänge – dieses Bild bietet sich an vielen „lost places“ des spanischen Weinbaus. Nun sollen vergessene Lagen wieder zum Leben erweckt werden, vor allem in den Mittelgebirgen des Landes.

VERGESSENE REBSORTEN

„Unsere Weine spiegeln ihren Ursprung wider – Landschaft, Kultur und Menschen!“ Mit diesem Credo versuchen die „neuen Wilden“ Spaniens, Weinbau und Verarbeitung den regionalen Besonderheiten anzupassen. Dabei stoßen sie oft auf historische Herstellungsmethoden und vergessene Rebsorten, die nun wieder angebaut werden.