Schloss Johannisberg – Riesling-Ikone seit 1720

Schloss Johannisberg ist eine Ikone des deutschen Rieslings und standesgemäß thront es oberhalb von Geisenheim gut sichtbar wie eine Königin des Rheingaus. Dabei sollte man eher sagen: eine Königin des Rieslings. Weinbau wird hier schon seit mindestens dem achten Jahrhundert betrieben, als hier das erste Kloster etabliert wurde. 1720 war es der Fuldaer Fürstabt Konstantin von Buttlar, der einen enormen Wandel herbeiführte. Er erbaute auf dem heruntergekommenen Kloster nicht nur ein eindrucksvolles Barockschloss, sondern bepflanzte auch den Weinberg neu, und zwar nur mit Riesling.

Durchaus ungewöhnlich für die damalige Zeit, denn im Rüdesheimer Hang standen früher noch hauptsächlich Orleans und reinsortige Weinberge waren eher ungewöhnlich – der gemischte Satz war Standard. In mehrfacher Hinsicht war es also mutig und visionär, dies zu ändern. Die kleine Eiszeit suchte ab dem Ende des 16. Jahrhunderts immer wieder mit spektakulär kalten Wintern Europa heim. Für den Weinbau stellte das eine Katastrophe dar, ganze Jahrgänge wurden zerstört. Auf Johannisberg hatte man erkannt, dass der Riesling relativ kälteresistent war, und alles auf eine Karte gesetzt. Fast 300.000 Reben pflanzte man 1720/21 in einer sehr hohen Pflanzdichte. Der Wein muss nach einigen Jahren schon so gut gewesen sein, dass man einen großen Teil der Ernte direkt in Flaschen füllte. Was heute selbstverständlich scheint, war bis Anfang des 20. Jahrhunderts ungewöhnlich, denn Flaschen waren sündhaft teuer, weil sie nur in Handarbeit hergestellt werden konnten und der Ausschuss enorm war. Weine wurden im Fass gehandelt und aus diesem dann in Krüge gefüllt. Weingüter, die selbst abfüllten und direkt verkauften, gab es so gut wie keine. Die Legende um Schloss Johannisberg war geboren! Mit spektakulären Weinen, vor allem aus lange gereiften, edelfaulen Trauben wie dem 1775er Cabinet, der erst nach gut zehn Jahren Reifung in den Verkauf kam, oder dem 1779er, dem ersten belegten Eiswein weltweit, machte man an den Höfen Schlagzeilen.

„Wenn der Riesling schon in der kleinen Eiszeit gepflanzt wurde“, bemerke ich etwas provokativ gegenüber Gutsdirektor Stefan Doktor, „wird es dann nicht höchste Zeit, was anderes zu pflanzen? Wie wäre es mit Syrah?“ Er lächelt, das hat er vielleicht schon ein paar Mal gehört. „Ich mag Syrah und er ist ein großartiges Beispiel dafür, dass der Riesling nicht ausgedient hat. Im Eden Valley in Australien steht beides zusammen und die Durchschnittstemperaturen sind deutlich höher. Es fällt auch weniger Niederschlag, trotzdem finden sich dort großartige Rieslinge. Das ist nicht allein auf die Kunst der Winzer zurückzuführen, die Rebe passt sich auch an. Wir lernen, mit der Hitze und dem geringeren Niederschlag umzugehen, haben aber auch den Vorteil, es mit einer Pflanze zu tun zu haben, die sehr anpassungsfähig ist.“ Vielleicht ist diese Erkenntnis der Grund, warum man bei Johannisberg nicht unbedingt auf alte Rebstöcke setzt. Von den insgesamt 50 Hektar, die der Johannisberg umfasst, werden jedes Jahr zwischen ein und anderthalb Hektar neu bepflanzt und dann für einige Jahre aus dem Ertrag genommen. Im Schnitt würde man also alle 40 Jahre den kompletten Weinberg erneuern, wodurch sich natürlich jedes Mal auch die Genetik etwas verändert. Stefan Doktor berichtet von den Erfahrungen der Vergangenheit: „Ende der 90er, Anfang der 2000er Jahre haben wir in der Region Rieslinge gehabt, die manchmal 14,5 bis 15 Prozent Alkohol hatten. Das sind Monsterrieslinge und jetzt, wo es noch wärmer geworden ist, hat unser Großes Gewächs charmante 12,5 bis 13 Prozent. Es geht also. Ich gehe davon aus, dass wir hier auch in 100 Jahren noch tolle Rieslinge ernten werden.“ Ich bedaure ein wenig, dass ich die dann nicht mehr werde probieren können.

Lichti und Astroh

„Wir haben noch einen Vorteil“, so Stefan Doktor, „dass wir in vielen Teilen des Weinbergs eine sehr gute Wasserspeicherkapazität haben.“ In vielen Teilen. Ja, das ist ein Thema: 50 Hektar – und alles ein Grand Cru sozusagen. Der Trend geht eher dazu, aus den Lagen noch einzelne Gewannen herauszunehmen. „Der Johannisberg ist schon etwas Besonderes“, weiß mein Gesprächspartner, „er zieht sich rund um den Hügel, auf dem das Schloss steht, und das Terroir ist überall gleich. Wir haben hier im Unterboden eisenhaltigen Taunusquarzit und darauf eine Auflage aus sehr eisenhaltigem Lehm, deren Dicke stark variiert. Außerdem ist die Sonneneinstrahlung in jeder Parzelle anders, das heißt, in der Homogenität liegt paradoxerweise eine erstaunliche Vielfalt.“ Ich denke an die Châteaus in Bordeaux, wo man auch aus den Weinbergen selektiert, andererseits gibt es da aber keine Weinbergsklassifizierung, denn der Johannisberg ist festgelegt. Sollte Stefan Doktor links oder rechts noch ein paar Parzellen dazukaufen, hießen die Vogelsang, Mittelhölle oder würden direkt zu Winkel, dem Nachbarort, gehören. „Dazu kommt“, ergänzt Doktor meine laut geäußerten Gedanken, „dass der Riesling uns eine enorme Vielfalt bringt. Aus den meisten anderen Rebsorten wird ein Wein gemacht, vielleicht in zwei bis drei Abstufungen. Wenn wir in einem Jahr alle Qualitäten lesen, dann haben wir zehn verschiedene Weine.“

Die Mönche hatten immer drei Qualitätsstufen: gut, mittel, weniger gut. Mit Fürst von Metternich kam dann ein anderes, feineres System. Der österreichische Karriere-Diplomat, dessen Familie aus Koblenz stammte, erwarb das Weingut 1816. Auch das eine Meisterleistung, denn August Graf Neidhardt von Gneisenau, Gebhard Leberecht von Blücher, der Freiherr von Stein und selbst der russische Zar machten sich Hoffnungen, Johannisberg in Besitz nehmen zu dürfen. Unter Fürst von Metternich wurde der Siegellack, mit dem man damals die Korken der besten Flaschen schützte, plötzlich mehrfarbig. Jeder Qualitätsstufe und Geschmacksrichtung wurde eine Farbe zugeordnet. Der Clou war: Es wurde nicht offen kommuniziert, welche Farbe für was stand. Das galt als Insiderwissen, was einen enormen Hype auslöste. Fürst von Metternich – ein Meister der Geheimdiplomatie. „Wir haben die Lacke auf zehn Stufen ausgeweitet“, führt Stefan Doktor aus, „dabei stehen die Metallfarben für die trockenen Weine.“

Überhaupt hat sich in den letzten 15 Jahren, in denen er das Weingut leitet, einiges verändert. Vor allem in den Qualitäten. „Man dachte vorher, man müsse irgendwie jeden bedienen“, erzählt er, „einfache Weine für den Supermarkt, was für die Gastronomie und irgendwas in der Spitze. Das geht aber auf 50 Hektar und bei nur einem Keller nicht, man muss sich entscheiden. Wir haben uns entschieden, den alten, großen Ruf von Johannisberg wieder herstellen zu wollen. Und das geht nur mit Top-Qualität, einem klaren Konzept und es braucht Zeit.“ Wir finden, es ist beeindruckend, was in den letzten 15 Jahren entstanden ist. Schloss Johannisberg thront jetzt nicht mehr nur geographisch als Königin des Rheingaus und des Rieslings auf dem einmaligen Weinberg hoch über dem Rhein. ab

 

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