Feudo Montoni – auf die Insel
Vielleicht müssen wir erst einmal etwas klarstellen: Nur Nicht-Sizilianer sehen Sizilien als eine Insel an. Sizilianerinnen und Sizilianer wissen, wie bereits erwähnt: Die Insel ist ein Kontinent für sich. Weitab von all den Geschicken der Geschichte, die sich zumeist in den Hafenstädten abspielten, gab es oben in den Bergen von Sizilien schon immer Orte, an denen die Zeit vorbeizuziehen schien.
Auf ungefähr halbem Weg zwischen Palermo und Agrigent liegt in den Bergen auf etwa 600 m Höhe Feudo Montoni. Rundherum wird schon seit mehr als 2.000 Jahren Hartweizen angebaut. Die Region war die Kornkammer Roms und vieler anderer Herrscher, die vorangingen oder folgten. Aber auf Montoni wird seit mindestens 600 Jahren auch Wein angebaut, eher ungewöhnlich für einen so hoch gelegenen Ort mitten auf der Insel.
Als der Fabio Sirecis Großvater Ende des 19. Jahrhunderts die Kornfelder rundherum erwarb, kaufte er auch gleich das alte Landgut und die Weinberge mit. Rosario war der Erste, dem auffiel, dass die Reben hier oben besonders sind. Wein spielte damals aber noch eine Nebenrolle und wurde eher für die Familie und die Landarbeiter bereitet. Erst Elio, der Vater Fabios, konzentrierte sich mehr auf den Weinbau. Vor allem begann er, ein paar neue Weinberge anzupflanzen und die alten zu restaurieren. Erstaunlich, dass er in einer Zeit, in der alle auf neue Rebsorten und Massenträger setzten, diesem Trend widerstand. Er vermehrte einfach die Reben, die er auf Montoni vorfand. Perricone, Catarratto, Grillo, Inzolia, Nerello Mascalese und Nero dʼAvola. Sizilianische Rebsorten, von denen niemand genau wusste, wann sie hier hochgebracht worden waren. Elio machte das zumeist auf die althergebrachte Art und Weise, indem er die Rute eines Rebstocks in die Erde führte und wartete, bis sie Wurzeln schlug. Nach einigen Jahren entsteht auf diese Weise ein neuer Rebstock. So sind noch erstaunlich viele Reben auf Montoni wurzelecht.
Fabio hält es ähnlich. Er arbeitet auch nur mit den eigenen Klonen und tauscht die alten Rebstöcke sehr behutsam aus. Umgeben von einem Meer aus Hartweizen, weitab von jedem anderen Weinbau und nur spärlich besiedelt, ist hier ein eigener Wein-Mikrokosmos entstanden. Im Sommer, wenn die Felder in den Hügeln von Madonie und Sicani golden leuchten und der Weizen bereit zur Ernte ist, stechen die grünen Weinberge auf Montoni fast wie etwas Surreales heraus. „Deshalb reden wir von einer Insel auf der Insel“, sagt Fabio lächelnd. „Mein Vater und Großvater haben das hier schon wie einen besonderen Schatz behandelt“, erklärt er, „Elio hat nie irgendwas an Chemie in den Weinbergen eingesetzt und daher war es für mich klar, das auch nicht zu tun. Die Bio-Zertifizierung ist ein Zeichen für das, was wir hier seit Generationen machen.“
Dass Fabio seine Weinberge über alles gehen, zeigt eine besondere Geschichte. Irgendwann bekam er ein Mail von einer Melissa Muller aus New York. Sie wolle ein Kochbuch über die sizilianische Küche schreiben und natürlich auch etwas über Weine und man habe ihr gesagt, sie solle unbedingt nach Montoni fahren. Fabio antwortete nicht, zu viel in den Weinbergen zu tun. Sie rief an, er hatte keine Zeit. Irgendwann entschloss sich Melissa, einfach hinzufahren, denn sie wollte wissen, wer der öffentlichkeitsscheue Winzer ist.
Melissas Großmutter war Sizilianerin, ihr Vater Deutscher. Von ihm hat sie den Namen und von der Nonna die Liebe zur sizilianischen Küche geerbt, und der ging sie nach. Statt internationales Steuerrecht zu studieren und in die Kanzlei ihres Vaters an der Wall Street einzusteigen, studierte sie Anthropologie, reiste immer wieder nach Sizilien zu ihrer Großmutter und kochte mit ihr.
„Meine Kommilitonen haben mich dann auf die Idee gebracht“, erzählt sie, „in New York ein Restaurant mit der authentischen sizilianischen Küche zu eröffnen. Mein Vater war entsetzt.“ Er gab dem Projekt ein Jahr, nicht länger. Nach einem Jahr war Melissas Restaurant der angesagteste Italiener der Stadt und sie eröffnete ein zweites, und irgendwann saß da dieser Mann, der immer wiederholte, sie müsse ihre Rezepte und Ideen aufschreiben. „Er war der Chef von Rizzoli“, erinnert sich Melissa, „einem der wichtigsten Verlage der Stadt.“ Deshalb reiste sie wieder nach Sizilien und wollte unbedingt einmal diesen störrischen Winzer kennenlernen, der nur Zeit für seine Weinberge, aber keine für Publicity hatte. „The marriage between food and wine“, meint Melissa „is one of the greatest things on earth.“ Das gilt natürlich auch für die Ehe zwischen dem Winzer und der Köchin, die das Weingut Feudo Montoni noch mehr zu einer Insel des traditionellen Siziliens macht.
PS: Monika Larner, die Italien-Verkosterin von Robert Parkers Wine Advocate, schrieb einmal: „Wenn ich 100 Punkte für eine Tomatensauce (!) vergeben könnte, wären sie für Melissas Sauce auf Feudo Montoni …“