Fest der Missverständnisse
Weihnachten ist das Fest der Liebe, behaupten ja einige Menschen. ich würde eher sagen: das Fest der Missverständnisse. Das betrifft nicht nur die politische Debatte mit Onkel Ernst, die sich im Laufe des langen Weihnachtsabends entwickelt und mit zunehmendem Getränkekonsum so explosiv wird wie ein seit drei Jahren getrockneter Weihnachtsbaum ...
Oder die Erinnerungen an die schönen Momente der Kindheit, die unweigerlich irgendwann auf den Tisch kommen und bei denen man laut rufen möchte: Stopp, das war doch ganz anders. Das betrifft ganz sicher auch den kulinarischen Teil.
„Ich brauche einen ganz besonderen Wein, etwas außergewöhnlich Gutes“, war die Ansage, „mein Schwager kommt ja am ersten Weihnachtsabend und der hat sehr viel Ahnung von Wein.“ „Was hatten Sie letztes Jahr?“ Es fällt der Name eines 2ème Grand Cru Classé aus einem Top-Jahr, ganz gut gereift, 98 Parker-Punkte, wenn ich mich nicht irre … „Ja, da war der 90er besser, meinte er.“ Und der Champagner, von dem wir jedes Jahr nur sechs Flaschen bekommen? „Ja, ganz ordentlich, aber das Mousseux etwas hart …“ Und das Jahr davor dieser herrlich gereifte Burgunder 1er Cru? „Passte nicht zur Gans … ich brauche wirklich was Perfektes. Was können Sie mir denn empfehlen?“ Das klang beinahe flehentlich. Mir fiel nur noch eines ein: „Einen neuen Schwager, würde ich sagen.“ Wie sagte Heimito von Doderer: „Wer sich in Familie begibt, kommt darin um.“
Das Pärchen, das sich am ersten Weihnachtsfeiertag mit guten Freunden zum Kochen und Essen verabredet hatte, war da schon deutlich entspannter. Gute Weine, auch der ein oder andere ausgefallene, er notierte sich die Storys und wie die Weine zu behandeln seien, und dann kamen wir zum Dessert. Was mit Nüssen, etwas Schokolade, Frucht … Dazu fiel mir ein durchaus ungewöhnlicher Süßwein ein. „Ach, der ist super“, meinten beide, „aber Süßwein ... so was trinken unsere Freunde nicht. Aber wir nehmen trotzdem für uns ein Fläschchen mit …“ Zwei Tage später: ein anderes Pärchen. Man hört so viele Menüfolgen vor Weihnachten, aber beim Dessert hätte es eigentlich klingeln müssen, Frucht, etwas Schokolade, Nüsse. Vorgeschlagener Süßwein super, „aber so was trinken unsere Freunde nicht“, und wieder ein Fläschchen für den Eigenbedarf. Das haben Sie sicher schon vermutet.
Also, was lernen wir daraus? Ahnung von Wein und Spaß an Wein sind zwei verschiedene Dinge. Bringen Sie auf den Tisch, woran Sie Freude haben, begeistern Sie die Mittrinker auch mal mit etwas Neuem, machen Sie sich und Ihren Lieben einen schönen Abend. Bei der Auswahl der richtigen Weine helfen wir Ihnen gerne, auf die Wahl des richtigen Schwagers haben wir aber leider keinen Einfluss …
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