Eine andere Dimension von Rosé
Hätte mir vor zwanzig Jahren mal jemand gesagt, dass sich mal direkt zwei Rosé-Weine als Sommeliers-Choice aussuchen würde. Und das hat jetzt auch nichts mit Altersmilde zu tun. Ganz sicher.
Das der Château les Valentines Rosé zu meinen erklärten Lieblingsweinen gehört, weiß jeder, der mich im Weinkeller einmal getroffen hat. Die Erklärung dafür ist ganz einfach, der Wein ist sensationell gut, ein universaler Essensbegleiter, er hat diesen Fun-Faktor, bei dem man direkt gute Laune bekommt und ist trotzdem ein ernsthafter Wein, die Winzer sind sehr nette und professionelle Leute und ich habe noch keinen Kunden getroffen, der mit dieser Empfehlung unzufrieden war. Was will man mehr?
Als wir das letzte Mal in La Londe les Maures waren, was leider schon einige Jahre her ist, erzählte uns Gilles, wie sich seine Art Rosé zu machen verändert hat. „Als ich 1997 hier angefangen hab“, erklärte er, „schien das alles ganz einfach. Man baut Trauben an, vermaischt die kurz und dann hat man einen Rosé. Mal mit mehr, mal mit weniger Farbe.“ Manche Winzer erzählten einem damals hinter vorgehaltener Hand, es käme ja eh nicht so drauf an, das meiste ginge ja an die Touristen und beim Sonnenuntergang in der Provence schmeckt halt jeder Wein gut. Gilles lächelte etwas gequält, als wir das erzählten. „Ich musste erst lernen, dass man schon vorher wissen sollte, aus welchen Trauben, ja aus welchem Weinberg man welchen Wein machen will. Wenn ich einen Rotwein machen möchte (der auf Valentines übrigens auch sehr gut ist), dann brauche ich auch in den Trauben ganz andere Voraussetzungen als für den Rosé. Der ph-Wert, der Extrakt, ja die Struktur der Tannine, alles lege ich ja nicht im Keller fest, sondern im Weinberg und da reicht nicht einmal ein Weinjahr aus, um alles auf den richtigen Weg zu bringen. Welcher Weinberg, welche Rebstöcke eignen sich besser für welchen Wein? Wie viel Ertrag kann ich ernten, ist weniger immer besser, denn irgendwann geraten die Reben dann auch in Stress.“ Er erzählte in seiner freundlichen, ruhigen Art noch einige Zeit weiter, was ihn die letzten zwanzig Jahre umgetrieben hat und dann meinte er, durchaus nicht selbstzufrieden, aber dennoch ein wenig stolz, „ich glaube, wir haben das ganz gut gemacht und sind jetzt da, wo wir hinwollten. Qualitativ.“ Ich erinnere ihn daran, dass er, wie er uns vor Jahren bei unserem ersten Treffen erzählt hat, als sein erster Jahrgang auf den Markt kam, ihn zusammen mit seiner Frau und einem befreundeten Sommelier mit „fast allen anderen“ Provence Rosé im Vergleich verkostet hat. „Wir wollten wissen, was wir machen, und das Ziel war, zu den besten zu gehören – irgendwann. Wir merkten damals, das wird noch viel Arbeit.“ „Und wo steht ihr jetzt?“, fragten wir. „Oh“, sagt er, „die anderen sind ja sicher auch besser geworden, aber wir sind zufrieden.“ Das ist offen gesagt falsche Bescheidenheit, denn für mich gehört die Weine von Gilles zum Besten, was man aus der Provence bekommt. Und ich habe viele verkosten müssen.
Aber natürlich stichele ich immer ein wenig, wenn ich bei einem Winzer bin, also fragte ich „und was ist im Vergleich zu den Top Cuvée der Region?“ und nannte ein paar Namen. „Das sind tolle Wein mit einem großen Anspruch“, meinte er ruhig, „die trauen sich was, auch preislich.“ „Hast du denn schon einmal über ein Spitzencuvée nachgedacht …“ Die Frage ist natürlich etwas gemein, denn der „normale“ Valentines ist ehrlich gesagt schon ein Spitzencuvée, aber Gilles meinte nachdenklich, „Natürlich. Aber es ist mir noch nicht ganz klar, wo das mehr stecken soll. Es kann ja nicht einfach um einen Wein mit mehr Kraft, mehr Alkohol oder irgendwie etwas mit Holz gehen. Der Wein sollte ja unsere Stilistik repräsentieren und trotzdem einen anderen Anspruch haben. Muss das nun ernsthafter sein oder verspielter … Ja, schauen wir mal.“
Kurze Zeit später kam Corona und das Reisen war nicht mehr so möglich wie zuvor, und Anfang 2022 bekamen wir eine E-Mail von Gilles mit der Bitte um einen kleinen Teams-Termin. „Wisst ihr“, erzählt er uns, „in den letzten beiden Jahren hatten wir einiges mehr an Zeit. Wir sind selbst weniger gereist, es waren weniger Touristen hier und so haben wir verkostet und nachgedacht, denn natürlich wäre es schön noch einen Wein über dem Valentines zu machen. Mit dem Jahrgang 2020 haben wir dann angefangen, ein paar Parzellen mit ausgesuchten Rebstöcken gesondert auszubauen. Nicht viel, aber eben Rebstöcke, bei denen wir ein besonderes Potenzial sehen. Der 20er war schon gut, aber die ist noch in die normale Cuvée gewandert, aber jetzt haben wir eine kleine Menge 21er und da sind wir schon da, wo ich hinwollte. Soll ich euch vielleicht eine Probeflasche schicken?“
Zum Glück hat Gilles uns direkt zwei Probeflaschen geschickt, denn natürlich wollte jeder im Weinkeller den Grand Cuvée einmal verkosten und wir waren alle der Meinung, der ist eine Sensation. Jetzt ist vor ein paar Wochen der neue Jahrgang der 23er endlich angekommen und der zeigt uns, dass Gilles und sein Team sich extrem viel Mühe geben, denn für mich ist das der beste Rosé, den ich je verkosten durfte. Und es ist eben kein Freakstoff, den nur jemand mit einhundert Jahren Weinerfahrung gut findet, sondern ein Klassiker, der den Titel Grand Cuvée mehr als verdient hat und der trotzdem jedem mit etwas Weinverstand schmecken wird.
Er hat auch diesen Fun-Faktor, dieses sommerlich Feine, das einem Rosé-Wein innewohnen sollte, aber er weist darüber hinaus. Wenn ich ihn vergleichen sollte, dann ehr mit einem Top-Burgunder. Konsequenterweise trinke ich ihn auch aus einem Burgunderglas und nicht zu stark gekühlt. „Wir waren erst skeptisch“, erzählt Gilles, „ob die ältesten Rebstöcke auch die besten für den Rosé sind, denn hier geht es ja nicht allein um Konzentration. Aber wenn man den Lesezeitpunkt gut wählt, dann bekommt man eine perfekte Balance zwischen Frische, Eleganz und Komplexität hin, ohne dass der Wein schwer wirkt.“ Stimmt, denn schwer wirkt er kein Stück, eher beschwingend und mit animierender Frische. Die Früchte erinnern an einen roten Côte de Nuits, der sich in die Provence gewagt hat und jetzt entspannt am Strand liegt. Die Mineralik ist erstaunlich, hält sich aber dezent zurück. Alles an diesem Wein ist mit einem leichten Pinsel gemalt und spiegelt irgendwie das Leuchten der Provence wider, dass die Impressionisten so fasziniert hat. Rote Beeren, weiße Blüten, saftige Anklänge an Blutorangen und Grapefruit, die Tannine erinnern an einen lange gereiften PuErh Tee und unter allem liegt ein Hauch von Provence Kräutern. Ein Aromenschleier, der in einem leichten Windhauch schwingt.
Sie merken schon, ich höre nicht auf zu schwärmen und als Burgunderfan muss ich sagen, der Preis, der für einen Rosé hoch zu sein scheint, ist für einen Wein dieser Qualität eine Sensation – wie aber eigentlich bei allen Valentines-Weinen. Also einfach einen Loup de Mer auf etwas frischem Fenchel dünsten, etwas Olivenöl drüber, ein paar Prisen grobes Meersalz dazu und dann den Grand Cuvée aus einem Burgunderglas. Großer Weingenuss in Rosé.
Aber beeilen Sie sich, denn wie auch in den beiden Jahren zuvor sind die Mengen nicht groß.
P.S. Übrigens hat Gilles uns auf die letzte Lieferung noch eine Flasche seines ersten Jahrgangs Grand Cuvée gelegt. Er wollte von uns wissen, wie wir ihn etwas gereift fänden. Kein Stück müde auf jeden Fall und es fällt mir schwer vorauszusagen, wie der 23er reifen wird. Wenn wir da 2028 hinschreiben, so ist das wahrscheinlich eine konservative Schätzung. In zehn Jahren wird die Grand Cuvée wahrscheinlich nicht mehr so fein Rosé schimmern, sondern eher etwas bräunlicher daherkommen, denn das ist der Lauf der Dinge, aber er wird immer noch ein großer Wein sein, mit einem ganz eigenen Ausdruck. Vielleicht lege ich mir ja ein Kistchen für 2033 auf die Seite.