Die Brunello-Story
Beinahe wäre der Brunello ein Weißwein geworden. Eine Art Moscato, halbtrocken und mit Bubbles. Den Protagonisten schwebte das Nationalgetränk ihrer Heimat in Hell und mit etwas Alkohol vor – Coca-Cola sozusagen ...
„Madonna!“, höre ich schon die Stoßseufzer, und jeder Weinfreund bekreuzigt sich. Aber die Mariani-Brüder waren Weinhändler. In ihrer neuen Heimat Brooklyn wunderten sie sich irgendwann, dass ihre guten italienischen Weine fast ausschließlich von Kunden mit italienischen Wurzeln gekauft wurden. Statt der amerikanischen Leitkultur, die Wein „sophisticated“ oder sogar „strange“ fand, zu folgen, überlegten sie sich, wie man den Amerikanern den (italienischen) Wein nahebringen konnte. Wer von beiden einem italienischen Winzer gegenüber den berühmten Satz „It should be another Coca-Cola. We want this to be in the fridge along with the beer and soft drinks and orange juice“ gesagt haben soll, ist nicht überliefert. Aber schnell wurden die beiden mit einer Kooperative in der Romagna handelseinig und so wurde deren Lambrusco innerhalb kürzester Zeit zum meistverkauften Wein in den USA. „Riunite on Ice, that’s nice!“ war der Slogan.
Weißer Plan – Rotes Schicksal
Die Marianis wollten das Ganze aber auch in Weiß produzieren und nicht mehr von anderen Produzenten abhängig sein. Also kauften sie kurzerhand das Castello Banfi in der Nähe von Montalcino und pflanzten dort Malvasia Bianca und Moscato. So ein Castello macht sich gut auf dem Etikett. Da es kaum Weinbau in der Region gab, legte man los. Zum Glück ließen sie die paar Rebstöcke mit alten Sangiovese-Grosso-Reben, die sie mitgekauft hatten, stehen. Als sie sich in der Region umsahen, entdeckten sie, dass es doch ein Weingut gab, das seinen Wein in Flaschen füllte, und das war legendär: Biondi-Santi. Die Marianis kannten sich mit Wein gut genug aus, um zu merken, dass in dem kräftigen Roten vielleicht nicht das bessere Geschäft, aber sicher der bessere Wein schlummerte. Folglich sattelten sie komplett um, und statt des lieblich prickelnden, schnell und gekühlt zu trinkenden Moscatos wurde Banfi in Amerika zum Zugpferd für einen ernsthaften, kraftvollen Rotwein, der Zeit braucht und eine gewisse Kennerschaft erfordert: den Brunello di Montalcino.
Man stelle sich vor, die Italienerinnen und Italiener, die in den 1950er Jahren als „Gastarbeiter“ nach Deutschland ausgewandert sind, hätten damals der deutschen Leitkultur nachgegeben und auf Eisbein und Sauerkraut gesetzt, statt Pizzerien zu eröffnen … un’idea terribile.