Champion aus dem Nichts
Von null auf hundert, so lässt sich die Erfolgsgeschichte der Bodegas Artuke auf den Punkt bringen. 1991 von Miguel Blanco gegründet, machten das Familienunternehmen in den vergangenen 15 Jahren die beiden Brüder Arturo und Kike zu einem der gefragtesten und angesagtesten Betriebe. Aus ihren Vornamen setzt sich der Name des Weinguts zusammen. Auf ihrem Wissen, ihrer Ambition, Unerschrockenheit und dem sprichwörtlichen glücklichen Händchen bei der Arbeit mit der Rebe in etwa 550 Meter Höhe auf reinem Kalkplateau gründet sich die Erfolgsgeschichte. Und die klingt fast wie aus dem Märchenbuch.
Unerwartete Erfolgsgeschichte
Als wir vor mehr als zehn Jahren das erste Mal in Banos de Ebro waren, machten die beiden Brüder den Eindruck, als nähmen sie sich selbst nicht ganz so wichtig. Frei nach dem Motto „wir machen etwas, von dem wir überzeugt sind, aber wir haben keine Chance. Nutzen wir sie!” widmeten sie sich ihrer Arbeit als Winzer. Arturo erzählte, dass die von der Familie einst gekauften Weinberge als eigentlich schlecht galten. Dazu muss man wissen: schon der Großvater bekam den wenig schmeichelhaften Beinamen “El Loco (der Verrückte)”, nachdem er hoch droben in luftiger Höhe besagte Weinberge gekauft hatte. Zu hoch, zu steinig, zu viel Arbeit, zu wenig Ertrag lautete die negative Bilanz, als Kike und Arturo den Betrieb übernahmen.
Autodidakten mit Biodynamik
Keine Uni, kein Praktikum auf einem berühmten Château - die beiden lernten durchs Tun. Und krempelten den Betrieb in den Rioja Alavesa nach ihren Vorstellungen um. „Irgendwie fühlte sich das für uns falsch an, immer mehr Trauben“, erzählte uns Arturo damals. In den angeblich schlechten Weinbergen standen die ältesten Reben und die Erträge waren nur gering, aber „eigentlich haben uns die Fässer aus den Parzellen am besten gefallen“. Warum sollte es im Rioja anders sein als in anderen Weinregionen? Großartige Weinberge sind die Basis für große Weine. Ohne jemals im Burgund gewesen zu sein, fingen die beiden an, sich für Burgunder zu interessieren und adaptierten schnell das System.
Jede Parzelle wurde einzeln ausgebaut und nachher nicht, wie sonst in der Rioja üblich, miteinander verschnitten, sondern kam einzeln in die Flasche. Arturo zuckte damals nur mit den Achseln, als wir im sagten, „genau das hat uns auf euch gebracht". „Nun ja“, antwortete er, „warum soll ich denn die Reben aus dem Condenada mit der Finca de los Locos zusammen füllen? Das sind doch zwei komplett verschiedene Dinge.“ Bei ihm klang es, als sei es das Normalste von der Welt, wenn zwei Leute in einem kleinen Weingut etwas komplett anders machen als dreitausend andere Winzer um sie herum.
Mitglied im starken Verbund
Nicht jeder Revolutionär steigt mit einer Fahne in der Hand auf die Barrikaden. Arturo und Kike gingen lieber in den Keller und tüftelten. Um die Eigenheit der Lage noch stärker zur Geltung zu bringen, wurde der Einfluss der Holzfässer - weniger, größer und seltener neue - reduziert. Rioja-Weine definieren sich immer noch über die Lagerung im – möglichst neuen – Holzfass. Auch hier keine revolutionäre Attitüde, sondern ein lapidares „wir finden das passt nicht zu uns“. Bald sprach es sich herum, dass die Weine hier anders sind. Das hier in den Kellern nicht eine Million Liter einer Gran Riserva reifen, sondern zweitausend Flaschen aus einem Weinberg gefüllt werden, der den vielversprechenden Namen „Der Verdammte“ trägt und der so eigen ist, dass ihn über dreißig Jahre niemand bewirtschaften wollte. Luis Guitiérrez, der in Spanien für Robert Parkers Wine Advocat verkostet, verstand den eher burgundischen Ansatz der Blanco-Brüder. Die Weine fanden sich, trotz oder vielleicht auch wegen ihrer besonderen Stilistik, rasch unter den Top-Bewerteten der Region. Folgerichtig standen internationale Händler in Banos Schlange, um sich ein paar Flaschen der ausgezeichneten Weine zu sichern. Die Erfolgsstory begann. Artuke ist Mitglied der Rioja & Roll-Gruppe, ein Zusammenschluss junger Winzer und ihrer Projekte. Sie interpretieren den traditionellen Rioja unerwartet und neu.
„Schwarze Füße“ und „Schwarze Hände“
Bei unserem letzten Besuch schien in Banos de Ebro alles unverändert. „Ja“, meinte Arturo, „wir sind immer noch die Enkel des ‘Loco’, der den steinigen Weinberg da oben gekauft hat, weil ihm das Geld für einen vernünftigen fehlte. Aber die Leute sagen das mittlerweile mit einem Augenzwinkern.“ Er will jetzt anbauen. Direkt neben dem Haus seiner Eltern, in dem immer noch das Weingut ist, sollte der Keller etwas erweitert werden. „Willst du mehr Wein machen“, frage ich ihn. Er lächelt, als hätte ich etwas Dummes gesagt und wir setzen uns zusammen auf die Bank vor dem Haus. „Mehr?“ wehrt er ab, „Auf keinen Fall. Wir benötigen nur mehr Platz im Keller. Du weißt ja weißt ja, wie es bei uns zugeht. Wäre gut, wenn wir nicht immer en halben Keller ausräumen müssen, um an ein Fass ranzukommen. Wir machen jetzt insgesamt so 160.000 Flaschen im Jahr, das ist doch mehr als genug. Wenn ich mehr mache, dann benötige ich mehr Personal. Dann komm ich selbst seltener in den Weinberg und wenn meine Hände nicht mehr so aussehen“, er zeigt seine Hände, denen man die Arbeit im Weinberg und Keller deutlich ansieht, „dann bin ich ja kein Winzer mehr, sondern irgendein Unternehmer und das will ich nicht sein.“ Und dann ergänzt er, „und dann hätte ich auch keine Zeit mehr hier in Ruhe auf der Bank zu sitzen und das ist nicht gut. Für mich und für den Wein.“
Mein Artuke-Lieblingswein: Eigentlich jeder, zum „de Pies Negros (die Schwarzen Füße)“ habe ich eine ganz besondere Beziehung. Vielleicht weil er es so wunderbar schafft, zwischen diesem Spanischen, kraftvollen, zupackendem und dem eher burgundisch-feinen zu chargieren. Vielleicht auch, weil er für mich eine Art önologischer Universalwaffe zur spanischen Landküche ist. Die Trauben für den Pies stammen alle aus Ábalos, er ist also eigentlich ein Village-Rioja. Die Weinberge liegen damit sehr hoch und direkt am Fuße der Sierra Cantabria. Echtes cool Climate Rioja.
In den alten Rebanlagen stehen noch etwa zehn Prozent der selten gewordenen Graciano-Reben, die dem Tempranillo zusätzlich eine kühle Pfeffrigkeit verleihen. Kein Barrique, sondern Ausbau in gebrauchten 500 Liter-Fässern, so lenkt nichts von der Frucht und der klaren, sehr gut strukturieren Frische ab. Seinen Namen hat der Wein daher, dass man hier erst die ganzen (entrappten) Trauben vergären lässt und sie dann, ähnlich wie bei den Top-Portweinen in Lagares, mit den Füßen „austritt“, um die Extraktion zu fördern. Schonender geht es nicht. So bekommt man eine intensive Farbe ohne herbe Tannine und natürlich auch schwarze Füße.
MEHR ZUM WEINGUT