Champagner Secrets

Champagner, das ist große Weingeschichte. Bekannte Namen, Tradition und verlässliche Qualität. Aber es gibt auch die andere Champagne: Weingüter und Kellereien, deren Namen auf keiner Leuchtreklame auftauchen, in keinem Werbespot und auch in keiner Hochglanzanzeige. Fast unbemerkt vom Rampenlicht hat sich in den letzten Jahren eine neue Generation von Winzerinnen und Winzern daran gemacht, die Champagne zu revolutionieren. Diese neue Avantgarde ist typisch französisch: unerschrocken, ideenreich und vor allem authentisch. Wir haben den neuen Kellermeisterinnen und Kellermeistern der Champagne die Tür geöffnet – und umgekehrt.

Zur Champagne fiel mir nie etwas ein. Seit über 30 Jahren bin ich nun in Sachen gutes Essen und Trinken unterwegs, aber bis vor zehn Jahren stand das entsprechende Getränk nicht auf meiner Favoritenliste. Warum? In der Literatur habe ich meine Bücher auch eher selten nach dem Verlag ausgesucht, der sie herausbringt, sondern nach dem Autor. Und da war mir die Vielfalt in meinem Bücherregal immer sehr wichtig. Ein „Unlesbar!“ von Kommilitonen war immer ein wichtiges Kriterium, damit es die Autorin oder der Autor bei mir ins Regal schaffte. In der Champagne gab es für den internationalen Markt bis vor Kurzem nur Marken, aber keine Winzer, das hat mich wenig interessiert. Bis wir auf einer Tour 2012 dann einige kleine Winzer entdeckt haben ...

Und plötzlich waren sie da, die Vielfalt, die Spannung, die Weine, die einem nicht beim ersten Schluck gefallen, und die Winzer, die unbedingt das machen wollen, was sie richtig finden, und weder mit Mengen auf die Bestsellerliste streben noch dem akademischen Geschmack gefallen wollen. Winzer mit Dreck unter den Fingernägeln und einem Leuchten in den Augen, wenn sie morgens schon kurz vor Sonnenaufgang in den Weinberg müssen. Mittlerweile dürfen viele dieser Winzerinnen und Winzer ihre Weine zuteilen und können sich vor Anfragen kaum retten. Eine echte Erfolgsgeschichte in – für Weinverhältnisse – kurzer Zeit, und ich freue mich besonders, dass ich daran ein wenig mitwirken durfte. Daher folgt hier zum Zehnjährigen eine kleine Auswahl meiner persönlichen Favoriten ...

Andreas Brensing

 

 

Blanc de Blancs Brut Grand Cru Millésime

Blanc de Blancs

Unser Jubi-Champagner! Die letzten 420 Flaschen, dann ist es vorbei mit dem Jahrgang und wir dürfen auf den 2018er warten. Elodie Chapuy rief kurz vor der Sommerpause an und ich musste sie natürlich direkt loben und auch ein wenig jammern. Das Lob gab es für den herausragenden 2015er Blanc de Blancs Brut Grand Cru, der so stilsicher, so klar und so präzise zeigt, wie ein Top-Champagner von der Côte de Blanc sein sollte, dass man ihn eigentlich in allen Weinbauschulen Frankreichs ausschenken sollte. Daher hat er es auch verdientermaßen auf einen Ehrenplatz in unserem Jubiläums-Booklet zum 85-jährigen Weinkeller-Geburtstag im Sommer 2022 geschafft. Alle unsere Sommeliers wie auch unsere Kunden waren ganz verliebt in den Wein und umso trauriger waren wir, als es hieß, die letzten Flaschen sind bald weg. Also musste ich bei Elodie ein wenig jammern: „Bis Weihnachten reicht es nicht mehr und der neue Jahrgang wird dann ja noch nicht da sein …“

Sie lachte, „Ja, ich hatte schon überlegt, ob ihr darin badet. So viel haben wir ja nicht und eigentlich habt ihr alles bekommen, was ging.“ Was nicht viel war – 1.500 Flaschen. Bei dem Wörtchen „eigentlich“ wird der Rheinländer aber hellhörig, also bohrte ich nach … tatsächlich: Es gab noch eine Palette für einen außereuropäischen Markt, die wartete schon einige Monate darauf, bezahlt zu werden. „Ich bringe dir das Geld morgen vorbei“, meinte ich, nur halb im Spaß. Drei Tage später rief Elodie wieder an: „Okay, 420 Flaschen bekommt ihr noch, dann hab ich nur noch ein paar Kisten für unser eigenes Weihnachten.“ Also gibt es noch einige Flaschen von diesem kristallklaren, superpräzisen, einmalig frischen und genau auf der Linie zwischen fruchtig superenthusiastisch und mineralisch nachdenklich balancierenden Jahrgangschampagner. Wir haben, glaube ich, kein Vergleichsmodell, das Enthusiasten, Connaisseurs und Spaßtrinker gleichermaßen begeistert. Châpeau Chapuy!

 

 

Brut Tradition

Brut Tradition

Eine der großartigsten Entdeckungen des letzten Jahres war dieses kleine Champagnerweingut. Gerade einmal vier Hektar bewirtschaften Jean und Virginie Lallement. Komplett als Grand-Cru-Lagen klassifiziert und mit erstaunlich alten Reben bepflanzt. Im Durchschnitt stehen sie seit 40 Jahren auf den einmaligen Kalkböden von Verzy und Sillery. Eine Entdeckung, weil Jean einen sehr klassischen Champagnerstil bevorzugt, diesen aber behutsam und sehr präzise in die Moderne übersetzt hat. Der mit 50 Prozent sehr hohe Anteil an zum Teil lange gereiften Reserve-Weinen, der nicht ganz so trockene Ausbau mit verhaltenem Holzeinsatz, all das ergibt einen eher feinen und cremigen Champagner, der zurückhaltender in der Säure ist als der expressive Stil, den viele Winzer im Moment bevorzugen.

Für mich ist der Blanc de Noirs aus 100 Prozent Pinot-Noir-Trauben der Favorit in seinem kleinen Sortiment. Weil er auf der einen Seite rund und vielleicht sogar ein wenig altmodisch daherkommt, das aber mit Kraft und einer faszinierenden Präzision verbindet, die ihn zu einem tollen Aperitif, aber auch zu noch viel mehr macht. Ich denke beispielsweise an eine klassische Pâté de Campagne mit Landbrot, an einen Homard à lʼaméricaine, an Quenelles de brochet und andere französische Klassiker, die man sich mittlerweile leider selbst kochen muss, um sie zu genießen. Da kann man den Blanc de Noirs direkt zum ganzen Menü trinken. Der klassische Champagner, den man eigentlich immer im Haus haben sollte, weil er zu allem passt und sicherlich auch jedem, der etwas Ahnung von Weinen hat, schmeckt. Dazu ist er für einen reinen Blanc de Noirs auch noch unschlagbar günstig.

 

 

Terre de Solemme Brut

Terre de Solemme

Ich bin ein echter Pinot-Meunier-Fan geworden. Die Rebsorte, die in Deutschland auch als Schwarzriesling oder Müllerrebe bekannt, aber wenig beliebt ist, ergibt auf den Kalkböden der Champagne faszinierende Schaumweine. Sie fügt den Champagnern eine besonders griffige Textur hinzu, eine Art von Rustikalität, die ich so mag, weil sie direkt und nicht gekünstelt ist, weil sie einen sofort anspricht und Lust auf das nächste Glas macht. Wie bei allen Diven-Rebsorten, muss der Winzer „nur“ sein Handwerk verstehen. Und Olivier Langlais versteht seins. Er kuvertiert im Terre de Solemme 50 Prozent Pinot Meunier mit je 25 Prozent Chardonnay und Pinot Noir, was dem Wein Frische und Würze und eine große Eleganz verleiht. Ein herausragender Vertreter des neuen, expressiven Champagnerstils.

 

 

Noir Essentiel N° 2016

Noir Essentiel

Colette Bonnets winziges Bio-Weingut liegt im äußersten Südosten der Champagne, wo die Acre durch ein kleines Tal mit ein paar Weinbergen inmitten von endlosen Feldern fließt. Eine echte Entdeckung! Der 2016er war fünf Jahre auf der Hefe und ist trotzdem strahlend frisch. Sehr trocken mit Noten von reifen Mirabellen, roten Äpfeln und nussigen Nuancen. Superwürzig mit floralen Anklängen (Jasmin). Komplex und zugleich etwas verspielt, das explodiert geradezu auf dem Gaumen und bleibt lang und kraftvoll. Ein Champagner zum Philosophieren oder zum Huhn mit Steinpilzen, zum Zander in Beurre blanc oder zum Époisses.

 

 

La Clé des Sept Arpents Extra Brut

Noir Essentiel

Extrabrut, biologischer Anbau, Spontangärung, ein hoher Anteil an Reserve-Weinen aus einem nach dem Solera-Verfahren gepflegten Depot und ein langes Hefelager. Laurent und Charles Bénard arbeiten ziemlich kompromisslos in ihren 2,45 Hektar Weinbergen. Der Einstiegschampagner mit dem langen Namen ist schon auf dem Niveau eines Top-Cru. Tolle Mineralität, sehr trockene, fast knallig schlanke Art mit langem, expressivem Abgang. Kein einfacher Wein, komplex, vielschichtig und gleichzeitig konsequent schlank ohne barocke Schnörkel. Unbedingt aus einem Wein- oder Universalglas probieren.

 

 

Récolte Blanche

Recolte Blanche Davy Dosnon

Davy Dosnon gehört zu unseren ersten Winzern aus der Champagne. Als wir ihn vor zehn Jahren in unser Sortiment aufgenommen haben, war es noch absolut exotisch, Champagne du Vigneron zu führen. Heute dürfen fast alle Top-Winzer ihre Weine zuteilen. Auch Davy. Sein Chardonnay gehört zu den Positionen, die immer am gefragtesten sind, nicht nur, weil an der Côte des Bar eher Pinot Noir angebaut wird. Er ist auch mit seiner Fasslagerung und seinem Stil, der eher an die Weine von Cômtes Lafon erinnert (da hat Davy früher mal gearbeitet), etwas ganz Besonders.

 

 

Winterbrevier

Mehr Informationen zu Spitzen-Weinen, die von unseren besten Sommeliers nur für Sie ausgewählt wurden, finden Sie in unserem neuen Festtagsbrevier:


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